Praxis par excellence – Rezension zu “Werkstattbuch Systemisches Coaching” von Jürgen Hargens (Hrsg.)

By | 15. Juli 2022

Werkstattbuch Systemisches Coaching“Im Coaching geht es oft darum Druck von den KundInnen weg zu nehmen: den Druck sich unbedingt verändern zu müssen.” (S.104)

Zum Inhalt:

Mit dem “Werkstattbuch Systemisches Coaching” von Jürgen Hargens (Hrsg.) hält man eine Zusammenstellung von Beiträgen zum systemischen Coaching in Händen deren Fokus auf dem Lernen durch Beispiele liegt. 

Hargens versammelt dabei ausgesprochen unterschiedliche Charaktere von Coaches deren gemeinsame Klammer die Systemik als Grundlage ihrer Profession ist. Und doch – ungeachtet dieser gemeinsamen Basis – stellt sich jene für Coach und Coachee i.d.R. gewinnbringende individuelle Grundlinie eines jeden in seinem individuellen Beitrag ein, die den Reiz, die Effizienz, aber auch die schwere Greifbarkeit dieses Coachingansatzes auszeichnet. Bernd Schmidt bringt dies im Vorwort auf den Punkt: “Die Begegnung mit den Eigenarten anderer mobilisieren und dynamisieren die eigene Art.” (S.6)

Als Interview wurde das “etwas andere Vorwort” gestaltet. Ein Interview mit Gerald Grüssl, Experte für Unternehmenskultur und Trainingsentwicklung der Uniqa Human Ressources in Wien, dessen Kernfrage ist: “Woran erkennt man kompetentes Coaching?”

Der Herausgeber präsentiert im anschließenden Kapitel resp. dem 3. Vorwort, wenn man so will, einen Ausblick auf den Zweck des Buches unter dem Leitmotiv “aus der Praxis für die Praxis”: “Das hier von den Autoren vertreten systemische Coaching ist im wesentlichen der Spielart lösungsorientiert, kurz und ressourcennutzend zuzurechnen – eben ein Ausschnitt aus dem gesamten systemischen Coaching Spektrum.” (S.14)

In medias res geht es im ersten Beitrag, “Vom Therapeuten zum Coach… oder: Mehr Unterschiede oder mehr Gemeinsamkeiten?” von Jürgen Hargens. Hargens präsentiert seine persönliche Sicht des Coachings welche stets und sehr radikal lösungs- und ressourcenorientiert ausfällt. Das Problem mit dem der Coachee den Coach dabei aufsucht muss und will letzterer erst gar nicht in den Focus stellen, vielmehr jedoch das Ziel welches erreicht werden soll – definiert vom Coachee – und den eigenen zu mobilisierenden Ressourcen desselben.

Michael Dahms-Landsberg firmiert für den zweiten Artikel “Vom Navigieren beim Coachen”. Er entwickelt hierbei ein Modell, dessen drei Achsen (Zeitdimensionen, Wahrnehmungsperspektiven, Reflexions- und Interventionsebenen) das Coaching in einem lösungsorientierten Kontext als Landkarte beim Navigieren helfen soll.

Ausgesprochen authentisch, sowie gleichzeitig praxisnah hält Peter Szab seinen Artikel “Kurzcoaching: ‘Papa, kannst du mich coachen?'”. Angestoßen von der Bitte seiner Tochter versucht Szab den eigenen Ansatz heruntergebrochen auf 3 zentrale Punkte zu hinterfragen:  “Wie lassen sich Kürze und Nachhaltigkeit von Coaching verbinden? Wie ist Coaching aus einer involvierten Rolle möglich? Worin liegt die spezifische Qualität von Coaching im Vergleich zu einem beliebigen anderen nützlichen Gespräch?” (S. 77)

“Der Lösungsspaziergang”, so der Titel des vierten Beitrages zusammengestellt von Daniel Meier nimmt den Leser im wahrsten Sinne des Wortes mit auf einen 40minütigen Ausflug. Hierbei kann der Weg als Aphorismus für das Coachinggespräch und/oder umgekehrt gesehen werden. 

Eugen Prehsler liefert anschließend mit “G’schichtln aus dem Wiener Wald … über Vertrauen, Freude und Energie” einen Text bei dem von klassischem Lesefluss keine rede sein kann. Seine Analogie(en) zum Schöpfungsbericht, den er immer wieder eloquent einbaut sind hier Programm – v.a. in puncto Chaos 🙂 . So sollte sich der Leser auf eine gehörige Portion Tohuwabohu einstellen, was jedoch – und das sei hervorgehoben – nicht an der inhaltlichen Qualität des Textes kratzt.

Fazit:

Die im “Werkstattbuch Systemisches Coaching” von Jürgen Hargens zusammengestellten Berichte, Artikel, Erfahrungsberichte geben zum einen Einblick in die individuelle Werkstätte der betragenden Coaches. Zum anderen ermutigen sie zu neuen Sichtwiesen, zum Mut zur Eigenständigkeit. Der Werkzeugkasten eines jeden Coaches kann aus der Praxis der jeweils anderen nur mit vielfältigeren, oft auch passenderen, aber sicher bereichernden Methoden gefüllt werden. Diese irisierende Vielfalt ist es, welche den systemischen Ansatz so widerborstig gegen jede Schubladisierung macht, die ihn aber auch in so unglaublich vielen individuellen Situationen stimmig sein lässt.

Zum Buch:

Der Band “Werkstattbuch Systemisches Coaching” macht bereits haptisch einen ersten guten Eindruck, welcher durch angenehme Kleinigkeiten, wie z.B. ein Lesebändchen, den festen Karton der Buchdeckel und die sauber ausgeführte weiße Fadenheftung untermauert wird. Die 5 Bünde aus denen der Buchblock zusammengestellt ist, sind aus hochwertigem Bedruckstoff gefertigt, was sich auch in Sachen Druckqualität äußert. Selbst feine Liniengrafiken sind exakt ausgeführt und gut lesbar. Die Typografie wagt nur wenig Auflockerndes, dies jedoch angenehm dem Inhalt untergeordnet. 

Illustrationen sind durchgehend in Schwarz-Weiß resp. Graustufen gehalten. In Farbe sind nur die Buchdeckel ausgeführt, wobei man hier über die Ästhetik der quietschgelben Farbgebung geteilter Meinung sein kann 😉 .

Buchdaten:

  • Titel: “Werkstattbuch Systemisches Coaching”
  • Autor: Jürgen Hargens (Hrsg.)
  • Umfang: 160 Seiten
  • Verlag: verlag modernes lernen; Auflage 2007
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 978-3-938187-32-6
  • Größe: 21 x 14,8 x 1,2 cm

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