Streng nach… – Rezension zu „Protokoll“ von Sigrid Kleinsorge

By | 12. Dezember 2022

Titelbild Protokoll von Sigrid Kleinsorge“Klar war nur, alle hatten begeistert zugestimmt, bevor sie auseinander gegangen
waren und das Leben sie wie Feinstaub in alle Himmelsrichtung en getrieben hatte.” (S.6)

Zum Inhalt:

Die dichte Prosa die Sigrid Kleinsorge in Ihrem neuen Roman entwirft könnte man als Gesellschaftsversuch im Reagenzglas umschreiben. 

Den Geschichten einer Agatha Christie nicht unähnlich, finden sich die als Jugendlichen-Clique eingeschworenen Protagonisten – der Einladung eines der ihren folgend – in dessen Appartmentanlage wieder. Neugier, Interesse an den Lebenswegen und das Schwelgen in Erinnerungen prägen den Beginn des Treffens. Je weiter die Autorin die Geschichte entfaltet, desto deutlicher macht sich eine nicht ganz so heimelige Reaktionswärme breit, welche genährt von etwas Neid hier, einem Schuss Bigotterie dort und einem Spatel unterschwelligen Geltungsdrang an die Oberfläche  drängt.

Nur ein Katalysator war sie dann, die Nachricht einer ernsthaften und ansteckenden Krankheit der Küchenhilfe in der Appartmentanlage. Verstärkt noch durch das Auffinden verendeter Tiere in der Nähe, kommt die verhängte Quarantäne einem finalen Agens gleich, welches Beziehungsskelette freilegt. Wie ein Versuchs-“Protokoll” verweben sich die Gedanken, Handlungsmuster, Wertigkeiten und Lebenslinien Hauptfiguren. “… in den letzten fünfzig Jahren war so manches Versprechen verloren gegangen, auch die eine oder andere Vorstellung musste man über den Haufen werfen. Anderes war dem Wandel der Zeit zum Opfer gefallen. Lösegeld, um durchzukommen.” (S.6)

Zurückgeworfen auf die unerwartete Enge der Anlage, die Nähe ehemals vor Ideen und Tatandrang sprühender Freunde und dem Resume des eigenen Lebensentwurfs baut sich eine neue Situation auf, in der es wieder darum geht, durchzukommen. Nur diesmal hat sich im Kern nicht die Herausforderung geändert, es sind vielmehr die ehemaligen “Sieben”, rund geschliffen im unerbittlichen Mahlstrom der Zeit, der für Ecken und Kanten keine Verwendung hat.

Fazit:

Sie ist spannend, die Achterbahnfahrt auf Lebenslinien. In vielen Nuancen wird man sich als LeserIn wiederfinden, wird Schmunzeln, teils nachdenklich werden, seine eigenen Einwicklungen hinterfragen, in einem neuen Licht betrachten können. Und wieder einmal, wie in ihrem gesamten Œuvre gelingt es Sigrid Kleinsorgen weit ab jeder Wertung zu bleiben. Sie bringt die unbändige Farbenpracht des menschlichen Lebens mit liebevoller Akribie zu Papier. Dabei nichts beschönigend, nichts romantisierend, aber stets mit einem kraftvollen Ja zum Menschen und seinem Willen an Herausforderungen zu wachsen.

Zum Buch:

Treffend gewählt ziert in schlichten Farben eine mechanische Schreibmaschine den Buchdeckel des ordentlich verleimten Buchblockes. Die Haptik und Qualität des Bedruckstoffes ist gut, wenn auch noch Luft nach oben wäre, wie der Lauinger-Verlag in anderen Druckwerken bereits bewies. Da die Seitenränder v.a. unten etwas knapp bemessen sind, wirkt der Text etwas gedrängt, lässt sich aber trotzdem gut lesen. Druck und Satz sind exzellent ausgeführt, sowohl im Bereich des Fließtextes wie auch der Abbildungen.

Buchdaten:

  • Titel: “Protokoll”
  • Autorin: Sigrid Kleinsorge
  • Umfang: 220 Seiten
  • Verlag: Lauinger Verlag; Auflage 2022
  • Sprache: Deutsch
  • ISBN-13: 978-3-7650-9166-7
  • Größe: 20,6 x 13,6 x 1,8 cm

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